Rohköstliches aus Argentinien - Reiseblog No 8
- gisela941
- 7. Mai 2023
- 8 Min. Lesezeit

Liebe Rohkostfreunde, einen herzlichen Gruß aus dem spätsommerlichen Argentinien! Die Blätter an den Bäumen färben sich langsam aber sicher kunterbunt - ein wunderschönes Naturschauspiel - und der Herbst kündigt sich unübersehlich an. Köstliche Äpfel und Birnen kann ich jeden Tag frisch vom Baum ernten.
In den letzten zwei Monaten war hier in der El Carmelo Lodge sehr viel los. Ich habe Gäste aus vielen Ländern begrüßen dürfen, das erste Mal auch einige Diplomaten aus China und aus Russland. Das Schöne hier ist, dass wir nur 4 exklusive Suiten haben. Das heißt, wenn alles ausgebucht ist, sind gerade einmal 8 Gäste hier. Dies macht ihren Aufenthalt sehr persönlich und sie haben viel Privatsphäre.
Letzte Woche hatten wir auch ein Paar aus den USA hier, das zwar schon seit einem Jahr verheiratet ist, aber gerne Fotos mit unserem schönen Anden-Panorama machen wollte. So haben sie ihre ganze Hochzeitsausrüstung im Koffer mitgebracht. 😀 Und ja, die Braut passte noch in ihr enges Kleid.😉

Neben all meiner Gastgebertätigkeit hatte ich aber auch noch viel Zeit für lange, ausgedehnte Wanderungen in den Bergen. Es gibt viele Wanderwege hier, auf denen man absolut niemanden trifft. Man hat die ganze Natur für sich alleine, kann die Lungen schön mit frischer, sauberer Bergluft füllen und viel Sonnenlicht tanken ❤️. Herrlich!!



Außerdem habe ich mich in den letzten Monaten mit einigen sehr netten, gleichgesinnten Veganern/Rohköstlern in Mendoza vernetzt, die das Wissen von einer gesunden Ernährung in die Welt hinaustragen. Zwei dieser Pioniere möchte ich Euch heute einmal vorstellen:
Das ist Federico Príncipi.

Er macht super-leckeren, roh-veganen, fermentierten Käse aus Sonnenblumenkernen. Federico war in seinem vorherigen Leben Grafik-Designer und hat vor einigen Jahren bei einem Workshop mit Néstor Palmetti die Prinzipien der Rohkost und der Fermentation kennengelernt. Néstor ist ein sehr bekannter Rohkost-Lehrer hier in Argentinien, der auch ein Rohkost-Zentrum bei Córdoba betreibt, das “Espacio Depurativo”. Federico war sofort von der Vielfalt und den gesundheitlichen Vorteilen der fermentierten Lebensmittel begeistert und hat sich gleich die Aufgabe gestellt, einen leckeren, fermentierten roh-veganen Käse zu produzieren. Da Cashewkerne hier in Argentinien extrem teuer sind, hat er mit einem viel günstigeren Rohstoff, nämlich Sonnenblumenkernen, experimentiert. Ganze zwei Jahre hat die Versuchsphase gedauert, bis Federico mit dem Resultat zufrieden war und damit an die Öffentlichkeit gegangen ist. Seit 2017 beliefert er nun viele Naturkostläden in Mendoza mit seinen köstlichen Käsen und die Nachfrage nimmt immer mehr zu, so dass er schon an eine größere Produktionsstätte denkt. Zuerst braucht er jedoch etwas Kapital, um das Ganze umzusetzen.
Seine Marke heißt "Férico". Dies setzt sich einerseits aus seinem Namen Federico, sowie aus dem Wort "féerico", das auf Spanisch so viel wie "feenhaft", "magisch" bedeutet, zusammen. Ich kann mir gut vorstellen, dass selbst die Feen im Walde diesem köstlichen Käse nicht widerstehen können 😊.
Ich habe Federico einen Tag besucht und ihm ein wenig bei der Käseherstellung über die Schultern geschaut!
Die Bio-Sonnenblumenkerne werden über Nacht eingeweicht, gut abgespült und dann mit einer Art Küchenmaschine mit S-Messer zu einer Paste verarbeitet, die aber gar nicht ganz glatt sein muss. Es macht sich sogar gut im Käse noch einige größere Stücke zu haben. Begonnen hat Federico seine Fermentations-Experimente mit Wasserkefir und ist dann zu Rejuvelac übergegangen. Im Moment arbeitet er sogar ganz ohne Bakterien zum Beimpfen der Masse. Die Mikroorganismen sind lebendig und lassen sich mit Intention in die richtige “Fermentations”-Richtung lenken. Es funktioniert, die kleinen Arbeiter machen brav, was sie sollen!
Federico gibt eine winzige Prise Zucker als Futter für die Mikroorganismen dazu und auch schon gleich ein wenig Himalaya Salz und die Gewürze bzw. Kräuter.
Den Férico-Käse gibt es zur Zeit in vier verschiedenen Sorten: “Provenzal” - mit Kräutern der Provence, “Pimentón ahumada” - mit geräuchertem Paprika, “Pimienta & Curry” - mit Pfefferkörnern und Curry sowie “Tradicionál” - pur ohne Gewürze/Kräuter.

Die Käsemasse fermentiert anschließend 2-4 Tage bei 10° C mit einem Gewicht beschwert. So kann die Flüssigkeit nach und nach abtropfen und es entsteht eine gut-formbare Masse.

Danach wird jeder Käse von Hand in einem Ring geformt und wandert anschließend in den Kühlschrank um bei 2° C 8-10 Tage lang zu reifen.


Danach kann der Käse gegessen werden. Man kann ihn aber gut noch weiter reifen lassen. Der Geschmack wird dann immer intensiver und die Konsistenz des Käses fester. Ich habe Federico´s Käse in verschiedenen Reifestadien gekostet. Nach 10 Tagen schmeckt er schon sehr lecker aber ich mag ihn am liebsten wenn er mindestens 4 Wochen gereift ist.
So sieht er nach 5 Wochen Reifezeit aus:



Übrigens, das Weiße, das man auf den Käsen sieht, ist Maniokmehl. Es hilft beim Trocknen der Käse und beim Formen einer Rinde. Dieses Maniokmehl ist aber nicht unbedingt nötig. Es funktioniert alles auch bestens ohne!
Wenn der Käse fertig ist, wird jeder einzeln in Käsepapier eingewickelt. Darin kann er atmen und noch weiter reifen.

Federico ist dabei seinen Käse bio-zertifizieren zu lassen. Er kämpft sich gerade durch die ganzen Auflagen der Behörden.

Auch Du solltest den gesunden Férico-Käse genießen und die Kühe in Ruhe lassen!! 😊😀

Leider gibt es den Férico-Käse bis jetzt erst in Argentinien und dann auch nur in Mendoza zu kaufen. Wenn Ihr ihn aber gerne einmal probieren möchtet, verrate ich Euch hier, wie Ihr einen solchen ganz einfach selbst herstellen könnt.
Als ersten Schritt stellen wir Rejuvelac her.
Dazu wird Bio-Weizen über Nacht eingeweicht und anschließend 2 Tage gekeimt. Ich habe auf meinen Reisen zum Keimen immer einige Nussmilchsäckchen dabei. Das funktioniert bestens.

2-3 Mal am Tag sollte man den Weizen im Säckchen gründlich waschen, damit er nicht austrocknet. Nach zwei Tagen sieht er so aus und ist fertig für den nächsten Schritt.

Nun kann man Rejuvelac herstellen. Dazu gibt man den gekeimten Weizen in ein Glas und bedeckt ihn mit frischem, gefiltertem Wasser. Ich decke alles gerne mit einem Nussmilchsäckchen ab, so kann bei der aeroben Fermentation Sauerstoff eindringen.

Nach zwei Tagen ist das Wasser trüb und wenn man das Glas bewegt, steigen Luftbläschen auf. Das ist das Zeichen, dass das Rejuvelac fertig ist. Es riecht nun angenehm fermentiert und schmeckt leicht säuerlich.

Diesen Fermentiervorgang kann man noch 3 weitere Male mit den gleichen Weizenkeimen durchführen, dann wandern sie auf den Kompost.
Ich trinke Rejuvelac sehr gerne gekühlt mit Minze und einem Spritzer Zitrone.

Sehr lecker schmeckt Rejuvelac auch mit einem Schuss der Flüssigkeit, die beim Fermentieren von Gemüsen übrig bleibt, wie z.B. Rote Bete. Unsere Darmbakterien freuen sich auf alle Fälle, wenn sie solch eine Köstlichkeit bekommen. 😊

Rejuvelac eignet sich wunderbar zum Fermentieren von Milch, Joghurt und Käse. Auf Reisen ist es schwierig an, probiotisches Pulver zu kommen, so mache ich mir ganz oft Rejuvelac, wenn ich etwas fermentieren möchte.
Mit dem fertigen Rejuvelac können wir uns nun an die Käseherstellung machen. 2 c Sonnenblumenkerne über Nacht einweichen. Am nächsten Tag gründlich abspülen und in der Küchenmaschine mit S-Messer mit etwa 1/2 c Rejuvelac zu einer Paste verarbeiten, die nicht zu nass sein sollte. Ich habe bei meiner Masse ein wenig Kala Namak Salz und Curry dazugegeben. Ich habe mit einem Mixer gearbeitet. Dafür ist es gut, einen zu haben, der nicht zu kräftig ist. Der Vitamix würde die Masse zu fein mixen. Na, in diesem Fall ist es doch einmal nützlich, einen billigen 0815 - Mixer zu haben! 😊😊

Nun kommt die Masse in ein Nussmilchsäckchen. Dieses gibt man in ein Sieb, das über einer Schüssel hängt, platziert einen Teller darauf und beschwert das Ganze z.B. mit einem mit Wasser gefüllten Schraubglas.


Als nächsten Schritt lässt man die Masse 48 h lang fermentieren und formt sie anschließend mit einem Ring oder mit der Hand in beliebige Käselaibe. Nun ab in den Kühlschrank damit! Am besten ist es, den Käse auf ein Käsegitter oder sonstiges Gitter z.B. einen Einschub von einem Dehydrator, zu stellen, damit er rundherum gleichmäßig trocknen und reifen kann. Da ich dieses hier nicht habe, drehte ich meine Käse jeden Tag.

So sieht mein Käse nach 3 Wochen Reifezeit aus. Er schmeckt genauso exquisit wie die vom Meister Federico!

Probiert es einmal aus. Mit wenig Arbeitsaufwand hat man einen wirklich leckeren, gesunden, rohköstlichen und dazu noch preiswerten Käse!
Das ist Marcelo Gabriel Moreno.

Er zaubert himmlisch-cremiges, veganes Eis auf Kokos- und Mandelmilchbasis. Nicht Eis am Stiel, sondern “Eis vom Baum” - “Helados del Árbol”. Ein Traum!!

Marcelo hat früher einmal “ganz normales” Eis produziert, bis ihn seine damalige Partnerin, die Vegetarierin war, gelehrt hat, die Etiketten der Lebensmittel zu lesen und ihn sanft zu einer gesünderen Ernährung gebracht hat.
Zwei Jahre hat Marcelo mit verschieden pflanzlichen Milchen und Zutaten experimentiert, bis er mit dem Ergebnis zufrieden war und er sein nun veganes Eis den Menschen in Mendoza präsentiert hat. Es war von Anfang an ein voller Erfolg! Die Menschen, auch wenn sie keine Veganer sind, lieben die “Helados del Árbol”. Nun hat Marcelo an die 30 Verkaufsstellen in Mendoza.
Auch ihn durfte ich in seiner Produktionsstätte einmal besuchen. Marcelo lebt in einem 7-stöckigen Haus mitten in Mendoza und hat kurzerhand die ehemalige Wäscherei eines Stockwerkes gemietet, um sie in seine Produktionsstätte umzuwandeln.
Er hat bereits zwei Angestellte, die sich um die Produktion kümmern, so dass er sich immer mehr der Weiterentwicklung seiner Produkte widmen kann. Er experimentiert gerade mit alternativen Süßungsmitteln wie Xylit, Kokosblütenzucker und Datteln anstatt des braunen Zuckers.
Guillermina bereitet die Eismasse zu.

8 geniale Sorten hat Marcelo schon entwickelt und tüftelt ständig an weiteren Kreationen. Bis jetzt gibt es Erdbeere, Mokka mit Erdnussbutterstückchen, Maracuja, Minze mit Schokostückchen, Vanille mit Brownie und Mandeln, Banane mit Ganache und Walnüssen, Schokolade mit Kakao-Chips und Piña colada. Ich liebe sie alle!!!😍Prima finde ich auch, dass das Eis nicht zu süß ist - gerade richtig für meinen Geschmack!
Die “Helados del Árbol” sind zusammen mit dem Eis der Veganista-Damen aus Wien sicher die leckersten veganen Varianten, die ich gekostet habe!




Eine spezielle Zutat, außer dem Sonnenblumenlecithin, die Marcelo benutzt, ist Erbsenprotein. Es hilft den Sauerstoff, der während des Frierens in der Eismaschine eingeblasen wird, an die Eismasse zu binden. Dies macht das Eis locker, luftig und cremig mit einem phantastischen Mundgefühl. Außerdem bewirkt es, dass man das Eis direkt aus dem Eisfach essen kann. Es ist sofort cremig, ohne dass man es antauen lassen muss.
Minzeis mit Spirulina, Minze ätherischem Öl und dunklen Schokoladenstückchen - frisch vom Baum! Mmmhhh!!

Mateo beklebt die Deckel mit den Etiketten und meditiert dabei!


Solch eine gefüllte Gefriertruhe wünschte ich mir auch! 😍

Marcelo plant eine weitere Produktionsstätte in Buenos Aires zu eröffnen, damit die Menschen auch dort sein köstliches Eis genießen können. Ich wünsche ihm alles Gute dabei und viele neue begeisterte “Baum-Eis-Fans”! Ich werde auf alle Fälle sein Eis vermissen, wenn ich bald weiterreisen werde!
Das “Helados del Árbol”-Team. Guillermina, Marcelo und Mateo.

Meine Zeit hier im Anden-Paradies neigt sich leider auch bald dem Ende zu. In einer Woche wird eine Französin aus Paris ankommen und meine Arbeit hier übernehmen.
Ich möchte sehr gerne noch Patagonien und Feuerland erkunden, aber dazu ist es jetzt schon zu spät. An diesen südlichsten Zipfel Argentiniens muss man im Hochsommer reisen. Hier wird es jetzt langsam kälter, so dass ich mich erst einmal wieder Richtung Norden bewegen werde.
Anfang Mai werde ich also nach 5 Monaten, viele Erfahrungen reicher und mit einer gut-gefüllten Reisekasse weiter nach Paraguay reisen. Mein nächster Einsatzort wird in einer deutschen Mennoniten-Kolonie im Chaco sein. Das wird sicherlich das genaue Gegenteil von der Luxus-Lodge hier werden! 😉
Übrigens beende ich dann auch mein Handy-Experiment. Ich selbst habe noch nie ein Handy besessen und bisher bestens ohne überlebt! Aber hier bei der Arbeit in der Lodge haben sie mich mit einem Arbeits-Handy ausgestattet und so konnte ich 5 Monate lang erfahren, wie sich das Leben mit solch einem Teil anfühlt! Nun, nach dieser Testphase kann ich ganz klar sagen, dass ein Handy nichts ist, was ich in meinem Leben brauche oder möchte. Ich werde heilfroh sein, es beim Abschied dem Besitzer der Lodge wieder auszuhändigen! Und tschüß!! 😊
Ich wünsche Euch allen Frohe Ostern, einen wunderschönen Frühling mit vielen, vielen gesunden Wildkräutern und werde mich wieder aus Paraguay bei Euch melden.
Ganz herzliche Grüße aus den majestätischen Anden!
Gisela ❤️
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